Als ich meiner Familie erzählte, dass ich nach Kolumbien reisen werde, war die Reaktion erst einmal etwas verhalten. Warum, könnt ihr euch sicherlich vorstellen. Der Hauptgrund warum viele in Deutschland und der westlichen Welt ein schlimmes Bild von Kolumbien haben, ist verständlich, wenn man ein wenig die jüngere Geschichte des Landes versteht. Da dies jedoch wie häufig, deutlich komplexer ist und viele Probleme zusammenhängen, versuche ich die Situation vereinfacht und sicherlich nicht vollständig zu umschreiben.
Kolumbien ist extrem reich. Reich an fruchtbarem Land, reich an Bodenschätzen, hat Zugang zu Pazifik und Karibik, ist Tor zu Mittelamerika, aber auch der einzige Landweg nach Südamerika. Es gibt Berge, Urwälder, Flüsse, Seen, Wüsten und wie so oft wurde dieser Reichtum von wenigen Großgrundbesitzern ausgebeutet, während große Teile der Bevölkerung unter bitterer Armut lebten. Natürlich stellten die Eliten die politische Macht und so kam es dazu, dass sich linke Gesinnungsgenossen zusammenschlossen und in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts sogenannte Guerillas gründeten, um für eine bessere Verteilung zu kämpfen. Sie organisierten sich Waffen und kämpften im Untergrund. Einige von Ihnen verfolgten kommunistische Absichten.
Auf der anderen Seite, gab es die Großgrundbesitzer und reichen Kolumbianer, die sich von der Regierung nicht ausreichend geschützt fühlten und Angst vor einem kommunistischen Umsturz hatten. Aus dieser Angst und mit ihrem Geld gründeten sie paramilitärische Einheiten, um gegen die Kommunisten und Guerillas zu kämpfen.
Nun kommt noch ein dritter Spieler ins Feld. Nicht nur Kaffee, sondern auch Kokain wächst bekanntlich in den fruchtbaren Berggegenden Kolumbiens. Die Drogenkartelle, besonders in Medellín und Cali wollten gegen Ende des 20. Jahrhunderts sicherstellen, dass ihre Plantagen und Labore geschützt sind und sie uneingeschränkt und ohne von der Regierung gestört zu werden, operieren konnten. Hierfür arbeiteten sie abwechselnd mit Guerillas und Paramilitärs zusammen und schütteten somit zusätzliches Benzin ins Feuer.
Die Regierungen und das Militär versuchten Herr der Lage zu werden und für Sicherheit im Land zu sorgen und gleichzeitig alle drei Kräfte zu bekämpfen. All dies führte zu einem über 30 Jahre lang währenden Bürgerkrieg, bei dem viele tausende Menschen ums Leben kamen.
Dieser Konflikt spielte sich im ganzen Land ab, aber eines der Zentren dieses Krieges war Medellín. Von hier aus operierte das Drogenkartell, allem voran der schlimmste kriminelle Kolumbiens – Pablo Escobar. Auf seinen Befehl hin mussten viele Tausende Menschen sterben. Bis 2002 war Medellín eine der gefährlichsten Städte der Welt. Eltern mussten ständig Angst um ihre Kinder haben, wenn sie zur Schule gingen, man könnte sich so gut wie nie frei durch die Stadt bewegen, es gab Entführungen und Anschläge. Dieser Krieg hatte massive Auswirkung auf die Bevölkerung, auf die Wirtschaft und Ansehen in der Welt. Nicht zuletzt kostete es viel zu vielen, vor allem Unschuldigen, das Leben.
Dank des harten Drchgreifens von Präsident Velvez und den Friedensverhandlungen von seinem Nachfolger Santos hat sich diese Situation deutlich verbessert. Seit knapp 10 Jahren herrscht Frieden. Kolumbianer können endlich ihr eigenes Land wieder bereisen und vor wenigen Tagen wurden die letzten Waffen der größten Guerillagruppe, der FARC, an die UN übergeben und damit den Weg freigemacht für die Umwandlung der Guerilla in eine politische Partei. Ein großer Erfolg für den Frieden im Land. Die Wirtschaft wächst wie in keinem anderen südamerikanischen Land und auch die Touristen kommen wieder. Ein Vergleic zeigt, dass im Jahr 2000 gerade einmal 50.000 Touristen nach Kolumbien kamen. 2016 waren es knapp 5 Millionen – Tendenz steigend.
All dieser Umbruch ist wohl am Besten in Medellín zu sehen. Medellín liegt mit seinen 2,5 Millionen Einwohnern auf rund 1600m in einem breiten Tal umgeben von Bergen nord-westlich von Bogota. Es ist die Hauptstadt vom District Antioquia und zweitgrößte Stadt Kolumbiens. Gegründet im 17 Jhd und zunächst hauptsächlich von Basken und Juden aus Europa bewohnt, liegt es auf einer Höhe von 6 Grad nördlich des Äquators und ist ganzjährig angenehm warm. Hier spricht man auch vom immerwährenden Frühling mit Tagestemperaturen um die 25 Grad und nachts selten kälter als 12 Grad Celsius.
Den ersten großen Boom bekam Medellín als Mitte des 19 Jahrhunderts der weltweite Kaffeeboom ausbrach. Die Gegend rund um Medellín eignet sich hervorragend um Kaffee anzubauen. Leider erschwerten die Anden den Transport des Kaffees an die Küsten, so dass man Anfing eine Eisenbahn zu bauen. Diese brachte die Industrialisierung, in die bis dahin hauptsächlich nur von Bauern bewohnte Gegend. Medellín begann zu boomen und zu wachsen.
Medellín ist heute Zentrum für Banken und Serviceindustrie, große Universitätsstadt und hat als einzige Stadt Kolumbiens ein sehr ausgeklügeltes öffentliches Verlehrsnetz mit Metro, Straßenbahnen, Seilbahnen und Rolltreppen, um vor allem arme Viertel besser in die Stadt zu integrieren und so soziale Unruhen vorzubeugen.
All die Informationen und viel mehr bekam ich auf der wohl besten Free walking Tour, die ich bisher gemacht habe. Ein großes Lob daher an Hernán von Real City Tours für die spannenden 4h durch Medellín’s Stadtzentrum. Ein Muss für jeden Medellínbesucher.
Außerdem fuhr ich mit dem Bus ins etwa 90km entfernte Guatapé. Dies kann man als Tour machen oder wie ich auf eigene Faust. Ab Portal del Norte kommt man für 13500 Pesos (4€) nach Guatapé. Hier befindet sich ein Naherholungsgebiet für die Bewohner von Medellín, aber auch Urlaubsziel vieler Kolumbianer – der große Stausee Embalse del Peñol. Einen ganz besonderen Ausblick bekommt man vom rund 250m hoch gelegen Piadres del Peñol. Ein Monolith, den man über 750 Stufen besteigen kann und der einen atemberaubenden Ausblick über die Gegend ermöglicht. Nach dem Besuch ging es noch eine Stunde durch das Städtchen mit typischen kolonialen Häusern und schön bemalten Häuschen.
Da ich recht wenig vorausplane, ändern sich meine Pläne immer spontan. Gestern habe ich einen Flug nach Pasto gebucht, um mich von da aus recht schnell nach Quito aufmachen zu können. Ich möchte mich nämlich in 2 Tagen mit meinen beiden Freunden Luise und Tony aus der Sprachschule treffen, um eine 4-5 gängige Wanderung auf dem Quilotoa Loop zu machen. Den muss ich auch jetzt beginnen, da nächste Woche Donnerstag das Julchen kommt.
Ich weiß, dass ich zu wenig Zeit in Medellín verbracht habe, dass ich Cali und Popayan nicht besucht habe, dass ich nicht in der Pazifik oder der Amazonasgegend war. Aber ich weiß, dass ich wieder kommen werde.
Alles hat ein Ende und so fällt es mir doch sehr schwer von Kolumbien Abschied zu nehmen. Ich bin nun seit fast 7 Wochen im Land und die Zeit verging wie im Fluge. Ich habe unheimlich viel erlebt, tolle Menschen kennen gelernt, viel gesehen, gewandert, getaucht, gekitet, Aguila und Aguadiente getrunken, Arepas gekocht und gegessen, estudié un poco de español, Tejo gespielt, Salsa und Champeta gelernt, Boteros Kunst bewundert und trotzdem noch genug übrig gelassen, um wieder zu kommen.
Mit einem weinenden und einen lachenden Auge verlasse ich dieses tolle Land, welches sich nicht verstecken braucht, welches stolz ist und es auch sein kann, auf das was es besitzt und vor allem in den letzten Jahren erreicht hat und welches auf jeder Reiseliste ganz oben stehen sollte.
Danke an alle, die mir ihr Land gezeigt und erklärt haben. Allen voran Ligia & Elli aus Carthagena, Viktor aus Santa Marta, Andrea aus Cali, Hernán & Laura aus Medellín und natürlich Santiago aus Bucaramanga.
Das nächste Abenteuer wartet und ich bin gespannt, wie Ecuador sein wird.